Verhaltensleitsätze des Fachverbandes der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten gemäß Art. 120 b Abs. 1 B-VG in der Fassung BGBl. I 2/2008, § 47 Abs. 1 in Verbindung mit § 43 Abs. 3 Z 1 WKG, BGBl. I Nr. 103/1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 73/2017.
Präambel
Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten agieren in Österreich als Bundesgenosse des Kunden. Daneben treffen sie jedoch Fürsorgepflichten gegenüber Versicherern. Aufgrund dieses Spannungsfeldes zwischen Versicherungsmaklern, Kunden und Versicherern ist die Beschäftigung mit ethischem Handeln seit je her ein wichtiges Thema für unseren Berufsstand. Daher hat der Fachverband für Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten zusätzlich zu den gesetzlichen Regelungen bereits 2017 verbindliche Standesregeln für Versicherungsmakler geschaffen. Die Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) rückt das Thema Ethik noch mehr in den Focus.
Ein großer Teil der IDD wurde in Österreich in den so genannten Standesregeln für Versicherungsvermittlung geregelt. Erlassen wurde diese Verordnung durch das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Da es nun sowohl in inhaltlicher Hinsicht als auch hinsichtlich der Bezeichnung zu Überschneidungen dieser vom Ministerium erlassenen Standesregeln und den Standesregeln des Fachverbands kam, werden diese nun durch die vorliegenden Verhaltensleitsätze ersetzt.
Bei den vorliegenden Verhaltensleitsätzen des Fachverbandes handelt es sich inhaltlich um eine Satzung im Sinne des Art. 120 b Abs. 1 B-VG. Sie ist für Mitglieder des Fachverbandes verbindlich, weil durch sie die Rechtsverhältnisse der Verbandsangehörigen in eigener Verantwortung hoheitlich gestaltet werden. Die vorliegenden Verhaltensleitsätze dienen dazu, die fachlichen Interessen sowie die wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Angelegenheiten der Mitglieder des Fachverbandes zu fördern und das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken.
Die darin verankerten Werte gelten sowohl im Umgang mit Kunden, Mitbewerbern, Versicherern und eigenen Mitarbeitern und sind längst zu einem ökonomischen Wert geworden. Sie sollten im eigenen Interesse ernst genommen und gelebt werden: Kunden und Geschäftspartner sollen wissen, was sie von Maklern erwarten dürfen. Diese vertrauensschaffenden Prinzipien helfen zudem gegen einen Imageverlust in Krisensituationen. Geprägt ist der Beruf des Versicherungsmaklers von folgenden ethischen Prinzipien:
Loyalität und Integrität
Um optimale Versicherungslösungen für ihre Kunden zu erreichen, setzen Versicherungsmakler ihr gesamtes Wissen, Können und ihre Erfahrung ein. Der Versicherungsmakler wird als Bundesgenosse des Kunden angesehen und vertritt überwiegend seine Interessen.
Professionalität und Sorgfalt
Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten sind aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse im Versicherungswesen, insbesondere ihrer Kenntnisse der versicherungsrelevanten Bestimmungen in verschiedenen Rechtsmaterien, ihrer Kenntnis des Versicherungsmarktes und ihrer Unabhängigkeit ausgezeichnete Berater ihrer Auftraggeber und Vermittler des nach den Umständen des Einzelfalls bestmöglichen Versicherungsschutzes. Sie besitzen angemessene allgemeine, kaufmännische und fachliche Kenntnisse und verpflichten sich zur laufenden Weiterbildung.
Innovation und Initiative
Versicherungsmakler verfolgen das Marktgeschehen aktiv und informieren ihre Kunden zeitnah und proaktiv über die relevanten Änderungen und Neuerungen. Sie beziehen diese in die tägliche Arbeit mit den Kunden mit ein. Sie sind zudem mitverantwortlich für laufende Produktinnovationen im Interesse des österreichischen Versicherungskunden und sind der Garant für einen funktionierenden Wettbewerb auf dem österreichischen Versicherungsmarkt.
Verantwortung und Fairness
Fairness und Verantwortungsbewusstsein sind Eigenschaften, die von Versicherungsmaklern stets eingehalten werden. Regeln des Berufsstandes werden befolgt.
Transparenz
Versicherungsmakler klären ihre Kunden beim ersten Kontakt über Art und Umfang der angebotenen Dienstleistungen, das System der Entschädigung und über die Rechte und Pflichten der Parteien auf.
Anwendungsbereich
§ 1. Diese Verhaltensregelungen sind auf die gewerbliche Tätigkeit der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten gemäß § 94 Z 76 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194/1994, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 94/2017, anzuwenden. Allgemeine Bestimmungen
§ 2. Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten sind verpflichtet, gegenüber ihren Kunden stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichen Interesse zu handeln und ihre Tätigkeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Unternehmers auszuüben. Sie sind verpflichtet, jedes standeswidrige Verhalten zu unterlassen.
§ 3. Standeswidrig ist ein Verhalten im Geschäftsverkehr mit den Auftraggebern, ein Verhalten anderen Berufsangehörigen gegenüber oder ein Verhalten den Versicherungsgesellschaften gegenüber, das geeignet ist, das Ansehen des Berufsstandes zu beeinträchtigen oder gemeinsame Interessen des Berufsstandes zu schädigen.
§ 4. Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten sind befugt und verpflichtet, alles zu tun, was sie zur kompetenten und effizienten Beratung ihrer Kunden für richtig halten dürfen, sofern dies mit ihrem Auftrag, den Gesetzen und ihrem Gewissen vereinbar ist. Dies beinhaltet auch die Verpflichtung, einen Auftrag nur dann zu übernehmen, wenn geeignetes eigenes oder fremdes Personal für die professionelle Umsetzung des Auftrages auf hohem Niveau zur Verfügung steht.
§ 5. Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten sind verpflichtet, allen gewerbe- und zivilrechtlichen Informations-, Auskunfts- und Registrierungspflichten, allen Protokollierungs- und Dokumentationsverpflichtungen sowie allen anderen gesetzlichen und verordneten Vorschriften und den Standesregeln für Versicherungsvermittlung nachzukommen. Insbesondere sind sie bei Abschluss von Rechtsgeschäften verpflichtet, in ihren Geschäftspapieren offenzulegen, ob sie das Rechtsgeschäft persönlich oder im Namen der von ihnen vertretenen Gesellschaft abschließen (Offenlegungsprinzip).
Verhalten gegenüber Auftraggebern
§ 6. Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten verhalten sich im Geschäftsverkehr mit den Auftraggebern insbesondere dann standeswidrig, wenn sie im Rahmen ihrer Berufsausübung gegen zivilrechtliche oder gewerberechtliche und andere ihren Berufsstand betreffende gesetzliche Vorschriften und die Standesregeln gemäß der Verordnung der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über Standes- und Ausübungsregeln für Gewerbetreibende, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung ausüben, BGBl. II Nr. 162/2019 verstoßen.
§ 7. Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten verhalten sich im Geschäftsverkehr mit den Auftraggebern weiters insbesondere dann standeswidrig, wenn sie im Rahmen ihrer Berufsausübung
1. einen Makler-Beratervertrag und/oder Versicherungsvertrag abschließen, ohne dem Auftraggeber unverzüglich nachweislich eine schriftliche Bestätigung über den wesentlichen Vertragsinhalt zu geben;
2. Gelder, die sie vom Versicherungskunden für den Versicherer oder vom Versicherer für den Versicherungskunden entgegennehmen, nicht unverzüglich über streng getrennte, bei einem Kreditinstitut geführte Kundenkonten (Treuhandkonten) weiterleiten und Barbeträge nicht unverzüglich auf diese Konten einzahlen;
3. Gelder oder Urkunden rechtswidrig zurückbehalten;
4. auf konkrete Anfragen des Kunden nicht innerhalb angemessener Frist antworten.
Verhalten gegenüber Versicherern
§ 8. Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten verhalten sich bei der Ausübung ihres Gewerbes den Versicherungsgesellschaften gegenüber insbesondere dann standeswidrig, wenn sie vorsätzlich versuchen, sich oder einem anderen eine Versicherungsleistung widerrechtlich zu verschaffen und wenn sie es unterlassen, den Versicherer bei der Vertragsanbahnung über die ihnen bekannten oder erkennbaren Risiken zu informieren (§ 29 Maklergesetz in der Fassung BGBl. Nr. 262/1996).
Verhalten gegenüber anderen Mitbewerbern
§ 9. Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten verhalten sich bei der Ausübung Ihres Gewerbes anderen Mitbewerbern gegenüber insbesondere dann standeswidrig, wenn sie
1. den Wettbewerb untereinander nicht sachlich mit ehrlichen und anständigen Mitteln führen;
2. im Geschäftsverkehr unlautere Geschäftspraktiken anwenden;
3. in fremde Versicherungs- und Kundenbestände mit unlauteren Mitteln eindringen; als unlauter gilt insbesondere, wenn fremde Geschäftsgeheimnisse wie zum Beispiel Vertrags- und Kundendaten unrechtmäßig erlangt oder verwertet werden;
4. Angebote, die einen Vergleich von Versicherungsprodukten enthalten, nicht sachlich richtig und wahrheitsgetreu oder unter Unterdrückung wesentlicher Tatsachen erstellen;
5. mit natürlichen oder juristischen Personen in der Versicherungsvermittlung regelmäßig zusammenarbeiten, von denen sie bei Anwendung der entsprechenden Sorgfalt wissen müssen, dass diese die Versicherungsvermittlung ohne entsprechende gewerbliche Befugnis ausüben;
6. unwahre oder herabsetzende Äußerungen über andere Berufsangehörige und andere Marktteilnehmer von sich geben;
7. Werbung, insbesondere durch Werbeschriften, Werbeanzeigen oder sonstige Werbemittel, nicht eindeutig, klar verständlich und wahrheitsgetreu platzieren, um auf diese Weise den Wettbewerb auf unfaire Weise zu beeinflussen;
8. Geschäftsführer oder Mitarbeiter eines Versicherungsmaklers und Beraters in Versicherungsangelegenheiten durch unlautere Mittel abwerben.
Unlauter ist auch eine planmäßige Abwerbung, die eine nachhaltige Schädigung des Mitbewerbers bezweckt, weiters die Herabsetzung eines Mitbewerbers und seiner Dienstleistungen zum Zweck der Abwerbung sowie die Abwerbung mit unwahren Äußerungen.
§ 10. Bei Streitfällen und Meinungsverschiedenheiten zwischen Berufsangehörigen haben die Beteiligten grundsätzlich zunächst eine einvernehmliche Lösung zu suchen. Ist eine einvernehmliche Lösung nicht möglich, haben sich diese an ihre zuständige Fachgruppe zu wenden, die unter Zuziehung aller Beteiligten einen Schlichtungsversuch zu unternehmen hat. Ist ein solcher erfolglos verlaufen oder sind Berufskollegen verschiedener Fachgruppen am Streitfall beteiligt, ist der Fachbeirat für Gewerbe-, Standes- und Wettbewerbsrecht für Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten (FGSW), eingerichtet mit Beschluss des Fachverbandsausschusses der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten vom 16.12.2015, zur Schlichtung anzurufen.
Unabhängig davon steht der ordentliche Rechtsweg den beteiligten Parteien immer offen.
Verhalten gegenüber Behörden, Vermittleraufsicht, Verbraucherschutzorganisationen, Schlichtungsstellen, WKO und deren Teilorganisationen
§ 11. Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten kooperieren unter Beachtung ihrer Verschwiegenheitspflicht mit Behörden, Vermittleraufsicht, Verbraucherschutzorganisationen, Einrichtungen zur außergerichtlichen Streitbeilegung sowie mit der WKO und deren Teilorganisationen.
Verschwiegenheit
§ 12. Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten sind zur Verschwiegenheit über alle im Rahmen ihrer Berufsausübung bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet. Sie haben auch ihre Dienstnehmer und sonstiges Personal zu dieser Verschwiegenheit zu verpflichten.
§ 13. Die Pflicht zur Verschwiegenheit besteht nicht, soweit die Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten gegenüber dem Auftraggeber Beratungs- und Aufklärungspflichten treffen oder dem Versicherer insbesondere bei der Vertragsanbahnung die erforderlichen Nachrichten zu geben sind (§ 29 Maklergesetz in der derzeit geltenden Fassung).
§ 14. Die Pflicht zur Verschwiegenheit besteht nicht, soweit den Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten gesetzliche Auskunftsverpflichtungen treffen.
§ 15. Die Pflicht zur Verschwiegenheit besteht nicht, soweit die Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten im Rahmen des § 16 Auskünfte zu erteilen haben und die Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten aufgrund des Auskunftsersuchens davon auszugehen haben, dass dieses Ersuchen im Auftrag des Kunden, dessen Interessen sie überwiegend zu wahren haben, erfolgt.
§ 16. Zur Abwendung eigener straf-, zivil-, verwaltungsstrafrechtlicher oder disziplinärer Nachteile oder zur Durchsetzung oder Abwehr seiner mit der entfalteten Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Ansprüche, wie Honorarforderungen, Schadenersatz und dgl. sind die Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten jedoch berechtigt, die erforderlichen Angaben in einem hierfür unumgänglichen Ausmaß zu machen.
Schlussbestimmung
§ 17. Die Verhaltensleitsätze wurden vom Fachverbandsausschuss der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten in der Sitzung vom 29.11.2023 beschlossen und vom Erweiterten Präsidium der WKÖ in seiner Sitzung vom 13.3.2024 genehmigt.
Die Verhaltensleitsätze treten am 2.5.2024 in Kraft. Die Verhaltensleitsätze einschließlich aller Änderungen sind auf der Webseite des Fachverbandes kundzumachen.